Pandemiebekämpfung: Bund-Länder-Geflecht oder Chaos?

Unser Vorsitzender bricht eine Lanze für den Föderalismus.

Bild: Patricia.fidi, CC0, via Wikimedia Commons

Der Föderalismus ist nicht schuld am miserablen Bild: Der Bund ist nicht die Lösung des Problems

Zugegeben, das Bild ist ernüchternd, das die Corona-Krisenbilanz der Bundesländer bisher abgibt. Nur der Bundesländer? Nicht nur natürlich, wenn man sich die Versäumnisse des Bundesgesundheitsministeriums, aber auch der EU anschaut.

Doch wie heißt es in Art. 30 Grundgesetz so präzise: „Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt.“ Da ist es wenig vertrauenerweckend, wenn die Ministerpräsident*innen der Bundesländer sich nicht an die Abmachungen halten, die sie in ihrer eigenen Konferenz getroffen haben in dem Bewusstsein, dass Pandemiebekämpfung nicht an Ländergrenzen halt macht. Deswegen allerdings eine Art von Überlegenheit des Bundes herauszukehren, wie die Bundeskanzlerin jüngst in einer prominenten Talkshow, oder gar nach Selbstentmachtung zu rufen, wie der bayerische Ministerpräsident, verbietet sich, wenn man unser föderalistisches System ernst nimmt.

Föderalismus ist leider fast zum Schimpfwort verkommen, in seiner ursprünglichen Idee wertgeschätzt eigentlich nur noch von Fachleuten und Landespolitiker*innen; und bei letzteren können mittlerweile Zweifel aufkommen (ok, der war böse). Dabei ist der Föderalismus der beste Garant gegen Machtmissbrauch und arroganten Zentralismus, eine wertvolle Sicherung gegen die latente Gefahr, dass irgendwann irgendwie doch ein Bundeskanzler vom Deutschen Bundestag gewählt werden könnte, der es mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht ganz so genau nimmt. Das kann eh nie passieren? Gerade in diesen Zeiten dürfte sich diese Erwiderung wohl erledigt haben.

Wir Alle sind zuvorderst Bürger*innen unserer jeweiligen Bundesländer, die staatlich voll eigenverfasst sind und legitimiert fortbestünden, selbst wenn die Bundesrepublik (was wir hoffentlich nie erleben werden) einmal auseinanderbrechen sollte. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Bundesstaat mehr Konfliktpotential und Reibungsverluste birgt als ein Einheitsstaat nach der Façon Frankreichs; dort kann tatsächlich „durchregiert“ werden, um es mit einem zweifelhaften Bonmot der Bundeskanzlerin zu sagen. Die Reibungsverluste des Föderalismus sind der Preis, den die zuvor beschriebene Sicherung mit sich bringt. Wie stark diese jedoch ausfallen, ist eine Frage der praktischen Ausgestaltung der Verfassung und nicht etwa der Verfassung selbst. Es ist Sache der handelnden Ministerpräsident*innen, ob sie aus einer Konferenz, die sie sich selbst zu Recht geschaffen haben und die im Grundgesetz nirgends Erwähnung findet, laufend Informationen durchstechen, und wen sie (Stichwort: Bundesminister*innen) zu dieser Konferenz überhaupt einladen. Es ist auch Sache der Landesregierungen, zwar nicht rechtlich, wohl aber moralisch bindende Absprachen untereinander einzuhalten; da hilft das beste Grundgesetz nicht.

Der Föderalismus ist nicht schuld am miserablen Bild, das Deutschland nach seinen Anfangserfolgen in der Bekämpfung der Pandemie abgibt. Er lässt Raum und Möglichkeiten für ein koordiniertes Vorgehen der selbstständig handelnden Bundesländer, ohne eine zentrale Kontrolle durch den Bund erforderlich zu machen; darauf sollten sich die aktuellen Ministerpräsident*innen dringend mal besinnen. Daher sei all Jenen, die diese medizinische Notsituation als Gelegenheit ergreifen um neuerlich einer Entmachtung der Länder auch in Sachen Bildung und anderem mehr zu Gunsten einer „einheitlichen Lösung“ das Wort zu reden, klar widersprochen: Der Bund ist nicht die Lösung des Problems; die Länder sind es.